Das freie Leben im Pferdesattel

 

Welcher Junge hat nicht mal davon geträumt, ein Cowboy zu sein? Ruedi Hänssler träumt nicht davon, er ist einer.

 

Die Cowboy-Romantik erlebte er erstmals anfangs der 70-ziger Jahre auf einer wunderschönen Ranch in der Nähe von Tucson Arizona. Damals war Ruedi Hänssler im Sales von Swissair New York tätig und kam immer an freien Tagen auf diese Ranch, um das Handwerk eines Cowboys zu erlernen. Später wechselte er auf die „Grapevine Canyon Ranch“ in der Dragoon Mountain Range, die eine halbe Stunde von der mexikanischen Grenze und zwei Stunden von Tucson entfernt ist. Bis heute kommt er nun alljährlich zwei bis dreimal hierher, um beim Suchen und Eintreiben der Rinder sowie beim „Branding“ der Kälber mitzuhelfen. Der Besitzer der Ranch mit über 60 Pferden und hunderten von Rindern war der legendäre Gerry Searle. Als echter Cowboy spielte dieser in den 40-zigern und 50-zigern Jahren in vielen alten Western-Filmen mit und wurde von Phillip Morris zum Original „Marlboro Man“ auserwählt. „Von ihm wurde ich in viele Geheimnisse des Westernreitens und der Arbeit als Cowboy eingeweiht. Er war ein echter „Horseman“ (Pferdeflüsterer), ein ausgezeichneter Schütze und Jäger von „Mountain Lions“ (Pumas) und ein exzellenter Geschichtenerzähler“, rühmt Ruedi Hänssler.

 

Eins sein mit der Natur

 

„Es ist eine grosse Faszination, inmitten einer atemberaubenden Naturlandschaft eine Arbeit zu verrichten, bei welcher der Mensch seinem Pferd und das Pferd dem Menschen vertraut. Diese Symbiose zwischen Mensch, Tier und Natur ist einmalig und hinterlässt nach getaner Arbeit eine unerhörte Befriedigung“, sagt der Schweizer Cowboy.

 

Ein tägliches Ritual ist das Üben mit dem Lasso. Es beginnt bei Sonnenaufgang beim Kaffee und geht weiter während des ganzen Tages bei der Arbeit auf dem Rücken des Pferdes. Ein Westernsattel ist so bequem wie ein alter Lehnstuhl, sodass auch zehn bis zwölf Stunden im Pferdesattel nie zur Qual werden. Oft dient dieser auch als Kopfkissen, wenn im Freien übernachtet wird. Die Cowboys von heute duellieren sich nicht mehr mit ihren Colts, doch solche Waffen führen sie immer noch in ihren Satteltaschen mit, um sich im Notfall verteidigen zu können. Wenn sie tagelang allein oder zu zweit unterwegs sind, gibt dieser Colt ein beruhigendes Gefühl. Gefährlich sind Bären, Mountain Lions (Pumas), Koyoten oder Klapperschlangen. Vorsicht ist auch geboten bei dubios agierenden Menschen, wie mexikanische Flüchtlinge oder Drogenkuriere. Der Umgang mit dem „Six Shooter“ wird regelmässig geübt, auch, um das Pferd an den lauten Knall zu gewöhnen. „Bis jetzt musste ich mich noch nie mit meinem Colt verteidigen und hoffe, dass das auch in Zukunft so sein wird“, meint Ruedi Hänssler gelassen.

 

Weltbürger

 

Während seines ganzen Lebens hat Ruedi Hänssler in verschiedenen Ländern gelebt, Wurzeln geschlagen und interessante Menschen und Freunde gefunden. Dankbar blickt er zurück auf seine 40-jährige Swissair-Karriere, auf eindrückliche Erlebnisse und Begegnungen: Die Lehrlingszeit in Swissair am Hirschengraben – die zehn Jahre im Sales Office in New York – die Zusammenarbeit mit Prof. Klaus Schwab beim WEF in Davos - die Zeit als Landesvertreter in Singapur - die vielen menschlichen Kontakte als Route Manager, - die Arbeit in Stockholm beim Projekt Alkazar und später in den neuen Staaten der ehemaligen UdSSR.

 

Tragisch und belastend war für Ruedi Hänssler die Arbeit im Einsatzteam beim Absturz der Swissair-Flugzeuge in Dürenäsch, Würenlingen und Halifax. Er betreute auch Passagiere und Crew bei der Flugzeugentführung nach Zerqa.

 

Nach dem Zusammenbruch der Swissair arbeitete Ruedi Hänssler für die Swiss am Aufbau der Organisationen in Griechenland, Zypern und der Türkei mit. In Griechenland gefiel es ihm so gut, dass er dort einen zweiten Wohnsitz kaufte. Seit er pensioniert ist, lebt er nun dort mit seiner Frau Eva jährlich acht bis neun Monate und die restliche Zeit im waadtländischen Villars-sur-Ollon. In Griechenland betreut und organisiert er nebst anderen Projekten die Reisen vom Fernsehjournalisten Werner van Gent, was spannend und interessant ist. Sonst freut er sich über jeden glücklichen Tag, im Meer zu schwimmen, das vor der Haustüre liegt oder sich in Literatur zu vertiefen und diese zu geniessen. Gleich geblieben ist immer noch seine Vorfreude auf die nächste Reise nach Arizona, um dort wieder viele Stunden im Sattel als Cowboy zu verbringen und dabei auch über den Sinn des Lebens nachzudenken.

 

Swissair News 1 / 2009