Verständnis trotz Gewalt und Terror


Beta Steinegger war eine der Airhostessen, die vor 40 Jahren die Hölle von Zarqa überstand. Traumatisiert war sie von diesen Ereignissen nicht, schrieb darüber aber ein Buch und ist bis heute für den Palästinakonflikt sensibilisiert.

 

 

Die spontane Tessinerin mit hellem Lachen, gewinnender Ausstrahlung und gepflegter Erscheinung ist heute mit ihren 75 Jahren immer noch so,  wie man sie auch früher als Airhostess gekannt hatte. Ihr Temperament, ihre Offenheit und Toleranz gegenüber Fremden hat sie wohl von ihren Eltern in Bellinzona geerbt. Der Hostessenberuf war für Beta Steinegger genau das Richtige. Zuvor machte sie in Milano eine Schule für Modedesignerin.

 

Im September 1970 gehörte sie zur Besatzung, die nach Zarqa entführt wurde. Nie wird sie die lebensbedrohlichen Schreckensmomente von damals vergessen: die Todesangst, die sie ausgestanden hatte und die quälende Ungewissheit, was alles noch passieren könnte. Als  Besatzungsmitglied hatte sie zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen aber eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, sie mussten verhindern, dass es an Bord nicht zu Panik und unkontrollierten Reaktionen kam. Nebst Durst und Hunger waren in der stinkenden Flugzeugkabine die total verstopften, ekelerregenden Toiletten ein sehr grosses  Problem. Passagiere und Crew wurden zu einer richtigen Schicksalsgemeinschaft. Einige der Besatzungsmitglieder zeigten sich in dieser Extremsituation als wahre Helden, andere waren wenig hilfreich.  . 

 

Zwiespältige Gefühle

 

Beta Steinegger reagierte mit ihrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn zuerst mit grossem Unmut auf die Gewalt und  Rücksichtslosigkeit, mit welcher die Terroristen riskierten, dass das Flugzeug mit Passagieren und Besatzung bei der erzwungenen, nächtlichen Landung in der Wüste zerschellen  konnten. Während der zermürbenden Stunden des Wartens  gab es aber auch Gespräche mit den Entführern, die sogar menschliche Züge erkennen liessen. Der Anführer und die junge Terroristin sprachen gut Englisch und wirkten gebildet. Crew und Passagiere wurden von ihnen korrekt behandelt, doch wurde absolut kein Widerstand geduldet. Sie versuchten immer wieder ihre Aktion zu begründen und auf die elende Situation des palästinensischen Volkes aufmerksam zu machen. Sie sprachen von unsäglichen Ungerechtigkeiten, welche die Palästinenser seit der Gründung des Staates Israels zu ertragen hätten. „Wo, in diesem politischen Durcheinander, liegt die Wahrheit?“ das war nun die Frage, die sich Beta Steinegger immer wieder stellte.

 

Äusserst bedrohlich wurde die Situation, als die Bewacher eine Befreiungsaktion seitens Israels vermuteten und sehr nervös wurden. „Wir sassen im wörtlichen Sinne auf einem Pulverfass, denn schon Tage zuvor waren im ganzen Flugzeug  Sprengstoffladungen angebracht worden“, erinnert sich Beta Steinegger noch sehr gut. Captain Schreiber machte ein Emergency Briefing, damit alle wussten, was im Falle eines Angriffs genau zu tun wäre. Besonders in dieser sehr kritischen  Situation waren die Gedanken der ziemlich Erschöpften bei ihren Liebsten: sie dachte wie es wäre, wenn sie nie wieder nach Hause käme. Ihr positives Denken half ihr aber, die Hoffnung, dass doch noch alles gut käme, nicht aufzugeben,

 

Die Erlösung

 

Es kam gut. Am andern Tag wurden bis auf wenige Männer alle Gefangene in ein Hotel gebracht und dann auch freigelassen. Wahnsinn war, dass alle drei gekaperten Flugzeuge in die Luft gesprengt wurden. Beta Steinegger war von diesen prägenden Ereignissen nicht traumatisiert, sie fühlte sich unendlich erlöst und dankbar, als sie und alle andern endlich zuhause ankamen. Sie verfasste Jahre später ein Buch über diese dramatischen Geschehnisse, was für sie eine Art von Aufarbeitung war. Nur dank ihrer heimlichen Tagebuchnotizen von damals konnte sie dieses Buch so authentisch schreiben.

 

Der Palästinakonflikt beschäftigt sie noch immer; sie las und liest sehr viel darüber. Sie ist der Ansicht, dass der Palästinakonflikt noch lange nicht gelöst ist und dass es den Palästinensern heute noch viel schlechter geht, als damals vor vierzig Jahren. Mit ihrem Gerechtigkeitssinn verurteilt sie die Arroganz der Israeli, mit welcher diese gegen UNO-Beschlüsse und Völkerrecht palästinensische Gebiete besetzt halten, das Volk enteignen, vertreiben und überall jüdische Siedlungen erstellen. Es macht sie wütend, dass das jüdische Volk, das im letzten Jahrhundert so unendlich viel zu leiden hatte, jetzt selber auch ein anderes Volk leiden lässt.

 

Den Namen Steinegger hat Beta von ihrem geschiedenen Mann behalten, sonst aber lebt sie schon lange wieder allein, heute am Monte Bre mit atemberaubender Sicht auf den Luganersee. Es war aber nicht einfach für sie, nach 41 Jahren von Zürich ins Tessin zurückzukehren und dort wieder Fuss zu fassen. Nebst ihren Verwandten pflegt sie recht intensiv Kontakt zu ehemaligen Swissair-Kolleginnen, die wie sie im Tessin wohnen. Mit einer Walking-Gruppe  unternimmt sie viele Wanderungen in die Berge, ist im Samariterverein und für Terre des hommes aktiv. Langweilig ist es ihr nicht, doch wenn sie eine Abwechslung braucht, besucht sie ihr geliebtes Zürich.