Wenn die Pingus an die Schuhbändel wollen

Ruedi Abbühl erhielt seinen Doktorhut in Zoologie. Hauptberuflich ist er als Maître de Cabine und nebenbei als talentierter Tierfilmer und Expeditionsleiter tätig.

 

Wie kommt es, dass du, Ruedi Abbühl,  beruflich auf so vielen Hochzeiten tanzest?

 

Es sind die Neugier und der Spass an verschiedenen Sachen. Schon als Student flog ich als Seasonal Flight Attendant in der Welt umher und hatte sowohl Freude am Fliegen wie am Studieren. Auch meine Leidenschaft fürs Filmen und Fotografieren konnte ich immer mit anderem verbinden.   

 

Wie lässt sich das zeitlich alles unter einen Hut bringen?

 

Bei Swiss habe ich einen 80%-Teilzeitvertrag, so bleiben mir, wenn ich die Ferien dazuzähle, drei Monate für Filmprojekte und Expeditionen. Doch auch auf Flugrotationen kann ich filmen und für meine Projekte Material sammeln. Wenn ich wegen der Zeitverschiebung nicht schlafen kann, dann nutze ich die Zeit, am Computer die gemachten Filme zu schneiden.

 

Gibt es da noch ein Privatleben?

 

Oh ja! Ich bin mit Priska, einer First Class Galley Flight Attendant, verheiratet. Sie teilt meine Interessen und unterstützt mich in allem. Wir sind ein sehr gutes Team und ergänzen uns ideal, sie ist die Fotografin, ich der Filmer. Beim Filmen hat sie oft mehr Geduld als ich.

 

Du hast Biologie studiert und bist Zoologe geworden. Was bedeuten Tiere für dich?

 

Schon als kleiner Knabe war ich Feuer und Flamme für Frösche, Kaulquappen oder Kröten, und die Begeisterung für Natur und Tiere wurde immer grösser. Als ich die schwerfälligen, 15 Kilo schweren Pelikane filmte, konnte ich mich in diese Vögel richtig einfühlen und wurde selber fast zum Pelikan, da spürte ich weder Nässe noch Kälte und vergass Zeit und Ort.

 

Hast du spezielle Vorlieben für gewisse Tiere, für Elefanten, Meerschweinchen oder andere Spezies?

 

Ich finde fast alle Tiere hochinteressant. Sogar diese Fliege, die mich jetzt gerade belästigt. Es ist ein Wunder, wie blitzschnell diese reagieren kann, wenn ich versuche, sie zu erhaschen. Wegen meiner Expeditionsreisen in die Arktis und Antarktis befasse ich mich  heute ganz besonders mit der polaren Tierwelt, mit Walen, Robben, Pinguinen oder Eisbären. Doch ich realisiere auch sehr gerne Filme über Vögel, wie meine Filme über Albatrosse, Pelikane und die auf dem Wasser synchron tanzenden Rentaucher zeigen.  

 

Wie war es in der Antarktis?

 

Total faszinierend, denn die Tiere in der unberührten polaren Welt haben noch ein Urvertrauen und eine grosse Zutraulichkeit zu uns Menschen. Beim Filmen kamen neugierige Pinguine näher und näher, ja, sie versuchten sogar, meine Schuhbändel zu lösen. Das sind wahre Momente des Glücks für mich. Es ist unglaublich beeindruckend,  wie dort die Tiere in der extremen Klimazone mit Temperaturen von minus 60 Grad Celsius überhaupt überleben können.

 

Was geht dir durch den Kopf, wenn du Tiere siehst, die in ihrem Lebensraum gefährdet sind?

 

Bei den Eisbären sah ich die dramatischen Auswirkungen sehr deutlich. Mich macht das sehr traurig und zehrt innerlich an meiner Substanz.

 

Seit Darwin wissen wir, dass die tüchtigsten Lebewesen sich an verändernde Verhältnisse anzupassen wissen. Stimmt das heute noch?

 

Ja, es gibt immer Gewinner und Verlierer. So werden Eisbären wahrscheinlich einmal mit braunem Pelz auf dem Land weiterexistieren. Für solche Mutationen braucht es aber weltweit grössere Schutzzonen mit grosser genetischer Vielfalt, damit sich die Tierwelt erholen kann. 

 

 

Tiere beobachten ist das eine, sie zu filmen das andere. Wie hast du das gelernt?

 

Ich fotografierte bereits als kleiner Bub, und mein Vater gab mir damals die ersten wertvollen Tipps. Ganz unbescheiden glaube ich, das richtige Auge fürs Fotografieren zu haben. Das Technische konnte ich mir als Autodidakt selber aneignen und vom Profi-Filmer Michael Magee lernte ich das Bearbeiten und Schneiden von Filmen. Heute gelingt es mir, Tiere bei meinen Aufnahmen schnell genug mit der Kamera einzufangen, weil ich ihre Bewegungen als Zoologe vorausahnen kann.

 

Für wen produzierst du diese Filme?

 

Für Swiss International Airlines, für PolarNews, Oceanwide-Expeditions und für den Zoo Zürich.

 

Alles tönt so positiv. Gab’s nicht auch Misserfolge?

 

Natürlich gelingt nicht immer alles. Doch ich versuche das Beste daraus zu machen und benutze das vorhandene Material später für anderes. Wenn ich offen und flexibel bleibe, kann ich oft ganz andere, ebenso interessante und überraschende Szene filmen.

 

Blick nach vorn. Wie geht es weiter?

 

 

Ich werde weiterhin als M/C tätig sein, denn das Fliegen macht mir nach wie vor viel Freude. Vor allem die Möglichkeit, interessanten Persönlichkeiten zu begegnen und mit diesen zwanglos ins Gespräch zu kommen, ist einmalig. Als Pensionierter werde ich wohl  noch mehr Zeit für Vorträge über meine Erfahrungen mit Tieren haben und meine besten Filme zeigen können. Auch werde ich mich  zusammen mit meiner Frau, vielleicht von den Falklandinseln aus, aktiv für den Schutz der Meere und der bedrohten Tiere einsetzen. Es ist mein grosser Wunsch, dass sich auch nachfolgende Generationen an Tieren und einer intakten Natur freuen können. 

 

Swissair News 4 / 2013

 

Link zu Filmen von Ruedi Abbühl: https://www.youtube.com/watch?v=vpeQzp3s-6M&feature=youtu.be