Ho Chi Minh City, das ehemalige Saigon
Unser Airbus von Thai International Airlines war nicht das einzige Grossraumflugzeug, das in dieser Mittagsstunde am Ho Chi Minh City Flughafen landete. Vor der Passkontrolle gab es hunderte von Passagieren, die in langen Schlangen geduldig auf ihre Abfertigung warteten. Die Uniformen der Grenzpolizisten erinnerten an die alte Sowjetunion und machten deutlich, dass Vietnam immer noch unter einem sozialistischen Regime steht. Die Passkontrolle verlief dann relativ rasch und gar nicht unfreundlich. Ausserhalb des Flughafengebäudes erblickten wir erwartungsfreudige Gesichter von Leuten, die auf irgendwelche Flugpassagiere warteten, ganz ähnlich wie in Thailand, nur die Sprache klang anders. Ein Taxifahrer, der nur sehr beschränkt Englisch verstand, brachte uns in einer halbstündigen Fahrt für sechs Franken zum schönen Renaissance Hotel am Saigon River. Von unserem Zimmer aus, konnten wir den breiten Fluss mit vielfältigen Hafenanlagen und einem sehr emsigen Fährbetrieb überblicken.
Auf einem ersten Stadtrundgang erlebten wir sehr eindrücklich den hektischen und lärmigen Verkehr. Anders als in Thailand dominieren hier vor allem die kleinen Motorräder das Straßenbild, denn Autos und Busse sind stark untervertreten. Niemand fährt besonders schnell, doch fast alle machen durch Hupen auf sich aufmerksam. Die typische Lärmkulisse von Ho Chi Minh City ist denn auch das nie endenwollende Hupkonzert. Erstaunlich ist, welch grosse Lasten und Gepäckstücke auf einem Töff oder Velo transportiert werden können. Eine emsig befahrene, sechsspurige Hauptstrasse zu Fuss zu überqueren, ist ein besonderes Erlebnis, ja ein richtiges Abenteuer mit Kick! Es ist fast wie bei einem Stierkampf, wo es gilt, kaltblütig den heranstürmenden Ungeheuern auszuweichen. Erstaunlicherweise gibt es fast keine Zusammenstösse.
Ho Chi Minh City ist eine schöne und saubere Stadt. Die Strassen und Trottoirs sind grosszügig breit, es gibt viele Bäume, Blumen und Parks. Sehenswert in Saigon, wie die Stadt früher hiess, sind unter anderem das Postgebäude, die Opera und das Hotel de Ville, welche noch aus der französischen Kolonialzeit stammen. Es gibt grosse Markthallen, die luftig, sauber und geordnet sich präsentieren. Einzelne Strassen haben nur Gemäldegalerien, andere nur Verkaufsläden für Büroartikel, andere nur Lederwaren oder Kleider. Überall gibt es Restaurants und eine stattliche Zahl internationaler Hotels. Parkplätze für Autos sind selten, doch überall gibt es Parkmöglichkeiten für Motorräder.
Sympathisches Volk
Die Leute wirkten auf uns angenehm freundlich, auf eine natürliche Art selbstsicher, elegant und doch bescheiden! Es gibt viele hübsche Vietnamesinnen mit sehr viel Charme. Besonders chic und elegant wirken Frauen, die noch das traditionelle, lang-luftige Gewand mit langen Hosen tragen. Herrlich ist der Anblick, wenn eine so gekleidete Frau, die zudem noch das Gesicht mit einem Tuch verhüllt, Hut und ärmelhohe Handschuhe trägt, stolz auf einem modernen Honda-Motorrad dahinfährt! Fast alle Frauen tragen Hüte oder eine Sportmützen, ein paar sogar die traditionellen Spitzhüte der Reisbäuerinnen. Der Grund, warum sie sich auch das Gesicht mit einem Tuch und die Hände mit Handschuhen verhüllen, hat nichts mit Religion zu tun, sondern mit dem Wunsch, von der starken Sonne nicht dunkel gebräunt zu werden. Sai war der Meinung, dass es in dieser Stadt auch viele, gut aussehende Männer gibt. Herrlich zu beobachten waren ganze Familien, zum Beispiel zwei Erwachsene mit zwei Kindern, die alle auf einem einzigen Motorrad umherfuhren. Wir sahen auch arme Leute, die nicht bettelten, jedoch recht verzweifelt aber nicht aggressiv versuchten, irgend etwas Kleines, zum Beispiel Karten, Kaugummi oder Früchte zu verkaufen. Es tat uns so leid, der Frau nein zu sagen, die mit einem lieben Lächeln uns zum Kauf von Früchten bewegen wollte. Diese etwa dreissigjährige Frau trug ihre zwei Früchtekörbe immer noch mit einer Kuli-Stange umher. Gerne liessen wir uns aber die Schuhe putzen, wonach der Schuhputzer wie wir sehr zufrieden waren.
Die Gräuel des Krieges
Die Vietnamesen sind stolz auf ihre Geschichte, auf ihren heroischen Freiheitskampf gegen Frankreich und Amerika. Im Kriegsmuseum und sogar im Kunstmuseum haben wir erschreckende Bilder von diesem sinnlosen Krieg gesehen. Die Amerikaner hatten sich mit grauenvollen Kriegsverbrechen am vietnamesischen Volk schuldig gemacht! Verheerend waren vor allem der Einsatz von Napalm-Brandbomben und die Flächenbombardements mit chemischen Kampfstoffen, die alle Bäume des Dschungels entlaubten und die fruchtbare Erde auf Jahrzehnte hinaus vergifteten. Bis heute gibt es wegen dieser Giftbomben schreckliche Missbildungen an Menschen. Wer diese entsetzlichen Bilder gesehen hat, kann eine richtige Wut auf die Amerikaner bekommen. Ich hoffe nur, dass irgendwann die Verantwortlichen dieser Gräueltaten von einem Kriegsverbrechertribunal gerichtet werden.
Wir besichtigten ausserhalb von Ho Chi Minh City, eine riesige, unterirdische Verteidigungsanlage vom damaligen Vietnamkrieg: die kilometerlangen Cu Chi Tunnels. Hier gewannen wir eine Vorstellung von dem gnadenlosen, entbehrungsreichen Guerillakampf der Vietnamesen und waren davon sehr beeindruckt. Doch auch sie waren mit ihren simplen, aber brutal-tödlichen Dschungel-Fallen ganz und gar nicht zimperlich! Doch sie haben schlussendlich damit die Amerikaner besiegt.
Erstaunlich ist, dass das vietnamesische Volk, das so viele Jahre im Krieg unendliches Leid und viele Entbehrungen erdulden musste, heute so friedlich und liebenswürdig auf uns wirkt! Vielleicht sind diese Erfahrungen, aber auch die kommunistische Schulung der Grund, warum die Leute bescheiden und tolerant, aber mit einem natürlichen Selbstbewusstsein uns begegnen. Der kommunistischen Einheitsgesellschaft ist es zudem zu verdanken, dass die früheren, gewaltigen Klassenunterschiede, wie sie zum Beispiel noch heute in Thailand bestehen, beseitigt worden sind.
Es geht aufwärts
Nach dem Fall der Sowjetunion hatte auch Vietnam sich geöffnet und hat sich 1993 eine neue Verfassung gegeben, die viele Reformen und Modernisierungen möglich machten. Jetzt können hier auch Ausländer wieder Geschäfte machen. So haben denn viele internationale Firmen hier Fuss gefasst. Es ist in Ho Chi Minh City gut spürbar, dass es vorwärts geht! Schön für Vietnam, dass es dem Volk heute besser geht als zur Zeit der kommunistischen Planwirtschaft. Wenn aber alle, die heute auf einem Töffli umherfahren, sich bald einmal ein Auto kaufen möchten, dann wird es nebst der Freude daran, auch viel Ärger und Probleme geben. Hoffentlich werden hier nun aber nicht alle Fehler der kapitalistischen Welt wiederholt.