Auf dem Mekong bis Luang Prabang

 

 

Wieder waren wir in Chiang Rai. Diesmal verbrachten wir den einen Abend in einem Restaurant unter freiem Himmel auf einem grossen Platz bei einem Glas Wein und Thai Food. Zur romantischen Stimmung passten auch die thailändischen Songs der drei Musiker und die traditionellen Tänze, welche zierliche Tänzerinnen in schönen Kostümen auf einer Bühne zeigten. Am nächsten Tag holten uns zwei Frauen mit einem Minibus ab und los ging die Reise, 160 Kilometer weit nach Chiang Kong, an die laotische Grenze. Die Fahrt führte uns an vielen zartgrünen Reisfeldern, aber auch an dürren Äckern und einfachen Dörfern vorbei. Diesmal war die Sicht nicht durch dicken Rauch vernebelt, wie bei unserem ersten Besuch, als zahlreiche Bauern trocknes Gras oder Unterholz anzündeten. Nach knapp zwei Stunden erreichten wir den Mekong und so auch die kleine Stadt Chiang Kong und unser Hotel mit Aussicht auf den breiten Fluss. Es gibt eigentlich nur eine einzige Hauptstrasse in dieser Stadt, die parallel zum Mekong verläuft, mit Wohnhäusern, verschiedenen Läden und Herbergen, alles sehr klein und provinziell. Im 14. und 15. Jahrhundert fanden in Chiang Kong und auch in der laotischen Stadt Luang Prabang – unserem Reiseziel. – kriegerische Auseinandersetzungen statt. Am Abend konnten wir beim Nachtessen auf der Hotelterrasse den Schiffen nachschauen. An den Nebentischen sassen zwei Reisegruppen: Deutsche aus Bayern und holländische Velofahrer. Ob diese wohl mit uns zusammen die Reise machen würden? Die Bayern blieben noch lange auf dieser Terrasse sitzen und wurden mit jedem Bier etwas lauter. 

 

Um acht Uhr holte uns ein Chauffeur ab und brachte uns mit seinem Bus,  zusammen mit einem jungen, holländischen und einem australischen Paar mit zwei Mädchen ans Ufer zur thailändischen Passkontrolle. In schlanken, langen Booten überquerten wir mit unserem Gepäck den Fluss und erreichten die gegenüberliegende laotische Grenzstadt Houayxay. Vor den schäbigen Immigration-Schaltern herrschte ein grosses Gedränge. Die uniformierten Beamten erinnerten uns daran, dass wir in ein kommunistisches Land einreisten. Überraschend war, dass wir als Schweizer kein Visum brauchten, wohl aber die Bürger aus der EU oder den USA. Weshalb geniessen die Schweizer eine solche Sonderbehandlung? Mit einem gültigen Stempel im Pass konnten wir dann glücklich unsere Reise in Laos beginnen. Auch die Bayern und die holländischen Velofahrer waren wieder da, doch wurden diese von einem andern Reiseleiter betreut. Mit einem Tuk-Tuk  fuhren wir durchs Städtchen zu einem Pier, wo zahlreiche traditionelle Mekong-Schiffe auf  Passagiere warteten. Unser Schiff war bequem eingerichtet. In der gedeckten und seitlich offenen Kabine gab es komfortable Sitze wie in einem Reisebus, einen langen Esstisch, ein Getränkebuffet, Toiletten und eine Küche, die aber mit einer Tür abgetrennt war. Pet, ein junger Laote, stellte sich mit gutem Englisch als unser Reiseleiter vor. Zur Gruppe gehörten noch zwei deutsche Ehepaare, zwei Brüder und eine dicke burschikose Frau aus Australien sowie ein Amerikaner mit einer jungen thailändischen Freundin. Wir hatten Platz genug, konnten es uns also bequem machen. Die Fahrt den Mekong hinunter begann gemächlich, und ohne starkes Motorengeräusch. Bald entschwanden die Häuser von Chiang Kong und Houayxay. Nur noch hügeliges Bergland säumte nun unseren Wasserweg. In der Trockenzeit führt der Mekong nicht sehr viel Wasser, sein Höchststand kann aber fast sieben Meter höher sein. Jetzt ragten immer wieder gefährliche Felsbrocken aus dem Wasser, die es sorgfältig zu umschiffen galt. Der Schiffskapitän und sein junger Steuermann schienen sich auf diesem Fluss  bestens auszukennen. Die wechselnden Landschaften sorgten für Abwechslung, so dass keine Langeweile aufkommen konnte. Zwanglos ergaben sich Gespräche mit den Mitreisenden. Man lernte sich etwas kennen und fühlte sich bald als Gruppe.

 

 

 

Die mitfahrende Köchin hatte für uns ein Buffet mit milden Curry-Speisen, Gemüse, Poulets und Fisch angerichtet. Wer ein Bier kaufen wollte, konnte dieses mit Kip, der lokalen Währung, mit Thai Bath oder Dollars bezahlen. Am Nachmittag legten wir bei einem kleinen Dorf an, wo am Ufer Frauen im Fluss standen und nach Gold suchten, indem sie in runden Becken Sand wuschen. Freudengeschrei wegen eines gefundenen grossen Goldkorns hörten wir allerdings nie. Das primitive Dorf mit den wenigen Bambushütten, ohne Elektrizität, ohne Wege, aber mit einem Brunnen, ein paar Schweinen und Hühnern war praktisch ausgestorben, denn die meisten Frauen arbeiteten am Wasser und die Männer im Wald. Wir sahen nur einzelne Mütter mit Kleinkindern, die sich aber eher schüchtern im Hintergrund hielten. Es seien nicht Buddhisten, sondern Animisten, die hier ihr einfaches und bescheidenes Leben führten, erklärte unser Reiseleiter. Es ginge ihnen nicht schlecht, sie könnten sich selbst ernähren und etwas Geld mit Goldwaschen, Reis und Holz verdienen. Es gäbe sogar eine einfache Primarschule. Für mich war es sehr interessant zu sehen, dass es noch solch archaische Siedlungen gibt, war gerührt von der Einfachheit und Ursprünglichkeit, wie die Menschen hier leben. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie unglücklich sind. Kein Vergleich mit der Misere und der Hoffnungslosigkeit von Slum-Bewohnern in Grossstädten. Unangenehm und peinlich war mir aber diese Dorfbesichtigung trotzdem, denn es war nur ein voyeuristisches Begaffen ohne eine echte Begegnung mit den Leuten. Besuchsgeschenke hatten wir keine mitgebracht, legten nur einen Geldschein in eine aufgestellte „Donation Box“. Staubig kehrten wir aufs Schiff zurück, und weiter ging die Reise. Die weitere Fahrt bis zum Dorf Muang Pakbeng dauerte ganze acht Stunden. Wir wussten im Voraus, dass die Hotelübernachtung in diesem Dorf sehr spartanisch sein würde. Zum Glück gab es ein Bett mit akzeptabler Matratze und eine Dusche sogar mit warmem Wasser. Mit dem deutschen Lehrerehepaar aus Düsseldorf gingen wir im Dorf in einem indischen Restaurant essen. Das Indian Curry war gut und unsere Gespräche auch. Ein interessanter Tag ging so zu Ende.

 

Noch am Vormittag besuchten wir ein grosses, doch auch sehr einfaches Dorf. Viele Frauen weben dort schöne traditionelle Stoffe, die sie den vorbeikommenden Touristen zum Kauf anbieten. So waren wir denn willkommene Kunden und nicht einfach Gaffer. In diesem Dorf sahen wir ein ganz einfaches buddhistisches Tempelgebäude aus Stein, daneben einen kleinen Chedi und einige Mönche, aber auch eine Bude, wo zwei Männer bei einem Drink sassen. Diese Trinkbude, aber auch die Schule und die Lehrerunterkünfte waren nur einfache Bambushütten. Es gab sogar eine Sekundarschule mit mehreren Klassen. Eine Wandtafel war dort das einzige Medium, das den Lehrern für ihren Frontalunterricht zur Verfügung stand. Dort wären Entwicklungshilfegelder ein wahrer Segen. Am Nachmittag hielt das Schiff nochmals an, damit wir einen Wallfahrtsort für Buddhisten, eine Felsgrotte mit vielen Buddhastatuen, besichtigen konnten. Ich stieg die vielen Stufen hinauf und hinab, drang in die Höhlen ein, war dann aber etwas enttäuscht, weil ich in Thailand viel imposantere Höhlentempel gesehen hatte. Die Weiterfahrt bis Luang Prabang dauerte dann nur noch eine Stunde und es hiess, von der zufällig zusammen gewürfelten Gruppe Abschied zu nehmen. Ein Tuk-Tuk brachte uns ins Stadtzentrum zum Hotel, einem frisch renovierten, klassischen Haus. Nur ein paar Schritte davon entfernt befand sich der Night Market, wo vor allem Frauen ihre Waren nicht auf Ständen, sondern auf Matten am Boden ausgebreitet hatten und geduldig auf interessierte Kunden warteten. Hier verklärten viele Lämpchen diesen Markt mit ihrem Licht. Doch etwas war hier speziell: Es war so unglaublich still, es gab keinen Lärm und keine Musik. Für lärmgewohnte Thailänder ist dies recht unheimlich. Am Ende des Marktes fanden wir an der gleichen Strasse viele offene Strassenrestaurants, die wohl noch den alten französischen Kolonialherren zu verdanken sind. In einen  Restaurantgarten bestellten wir käseüberbackene Baguettes. Nach dem vielen Reis, den wir auf der Reise gegessen hatten,  war das genau das Richtige.

Laute Trommelschläge des benachbarten Klosters weckten uns um vier Uhr und dann nochmals um sechs Uhr morgens auf, denn es war ein spezieller buddhistischer Feiertag. Wir schliefen trotzdem weiter und gingen erst um neun Uhr zum Frühstück. Direkt in der Strasse vor unserem Hotel verkauften viele Frauen frisches Gemüse, Fisch, Reis, sogar haarige  Füsse eines Wasserbüffels, noch lebende Hühner, Vögel und vieles andere mehr. Auch hier überraschte uns die so untypische Stille. Dann machten wir uns auf, die alte ehemalige Königsstadt Luang Prabang zu erforschen. Das historische Zentrum gehört zum Unesco-Kulturerbe. Es befindet sich auf einer Halbinsel mit dem Mekong auf der einen und dem Khan River auf der andern Seite, hat eine Ringstrasse entlang der beiden Flüsse und zwei innere Längsstrassen. Als erstes besichtigten wir das National Museum, welches in einem goldfarbenen Tempel des ehemaligen Königspalastes untergebracht ist. Palast ist wohl eine etwas grossartige Bezeichnung für das recht bescheidene Gebäude, wo einmal die Königsfamilie gelebt hatte, bis diese 1974 vom kommunistischen Regime in ein Umerziehungslager deportiert und später umgebracht wurde. Die grossen Räume zum Empfang offizieller oder privater Gäste, die Halle für königliche Staatsakte, aber auch Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer sind alle recht bescheiden und ganz ohne jeglichen Prunk. Eigentlich sehr passend, wenn man an die einfachen Bambushütten auf dem Lande denkt. Auch die Schulhäuser in unmittelbarer Nähe waren in einem traurigen Zustand. Ich fragte mich, ob die zerfallenen Dachziegel noch genügend Schutz vor tropischem Regen geben oder ob es wohl in jede Schulstube hineintropft. Andere Touristen brachten uns auf die Idee, Velos zu mieten, um so bequem die Stadt zu erforschen. Wir staunten über die grosse Anzahl von Tempeln und Mönchen. Im Gegensatz zu andern Gebäuden waren die prachtvollen Tempel sehr sorgfältig unterhalten und grosszügig ausgebaut. Einen Mittagshalt machten wir auf einer der vielen Restaurantterrassen am Ufer des Mekongs. Sai wollte dann auch noch die legendäre „Joma Bakery“ sehen, die berühmt für guten Kaffee, Sandwiches und Patisserie ist. 

 

 

 

 

Am Abend dieser Vollmondnacht  nahmen wir an den buddhistischen Feierlichkeiten teil. Im Innern eines grossen Tempels zelebrierten Mönche zuerst ihren Kult mit Gebeten und Gesängen, dann kamen sie in den Tempelhof und zündeten überall im Tempelareal hunderte von Kerzen an. Mönche, Einheimische, aber auch viele Touristen wandelten dann feierlich dreimal um den Haupttempel, hielten eine brennende Kerze und Räucherstäbchen in der Hand und steckten diese dann zu Ehren von Buddha bei einem Chedi in den Sand. Es war eine Stimmung wie an Weihnachten. 

 

                                             

 

Auch den morgendlichen Rundgang der Mönche muss man in Luang Prabang erlebt haben. Frühmorgens nach der Dämmerung schreiten täglich safrangelb gewandete Männer hintereinander durch die Strassen an den wartenden Einwohnern und Touristen vorbei. Diese legen ihnen kniend Reis und andere Speisen in die bereitgehaltenen Essensbehälter. Buddhisten glauben, dass sie damit „Merit“, etwas Gutes für ihr Seelenheil tun können.

Wieder waren wir mit dem Fahrrad unterwegs und führten unsere Entdeckungen im Zentrum der Stadt fort. Jetzt wollten wir auch das andere Flussufer am Khan River sehen. Im Gegensatz zum lehmigbraunen Mekong führt dieser Fluss klares Wasser. Wir sahen eine einfache, aber nicht halsbrecherische  Bambusbrücke. Auch an diesem Flussufer luden gemütliche Restaurants mit Aussichtsterrassen zum Verweilen ein. Viele historische Häuser im alten Kolonialstil dienen heute als Hotels und Guest Houses. Sie wirken meist einladend und malerisch zugleich. Auch die kleineren Strassen und Quersträsschen zu befahren, machte uns Spass. Der krönende Abschluss dieses Aufenthaltes war ein Nachtessen im legendären französischen Restaurant „L’Elephant“.

 

 

 

Am siebten Tag unserer Reise hiess es Abschied nehmen von Laos. Sehr pünktlich holte uns ein Tuk-Tuk-Fahrer um sechs Uhr morgens ab und brachte uns zum Flughafen. Die Fahrt dorthin war kurz, aber windig und sehr kalt. Der internationale Flughafen ist klein, bescheiden und provinziell. Doch beim Check-In klappte alles perfekt. Unsere Electronic-Tickets waren im Computer gespeichert, und dieser spuckte dann auch die richtigen Bordkarten aus. Laos Airways flog uns mit einer Turboprop-Maschine sicher und bequem nach Bangkok. Eine Airhostess und ein Steward servierten sogar eine Frühstücksbox und Getränke. Das hatten wir nicht erwartet. Herrlich zu sehen war die Uniform der Airhostess: Sie trug den traditionellen Sarong (Wickeltuch) und eine Uniformjacke dazu. Laotischer Charme bis zum Ende unserer erlebnisreichen und schönen Reise.