Armenhaus in Petchburi
Als wir in den mit Palmen und tropischen Pflanzen gesäumten Vorhof einfuhren, wurden wir von den Heimleitern bereits erwartet und freundlich begrüsst. Unsere fünf Frauen wurden zum Frauentrakt und wir drei Männer zum Männertrakt geführt. Dazu mussten wir ein für uns geöffnetes Gittertor passieren und kamen in eine grosse, offene Halle mit einfachen Tischen und Bänken. Vor dieser Halle standen und warteten über 200 Männer, die unser Kommen beobachteten, die meisten sehr zurückhaltend und still, andere mit einer Begrüssungsgeste „Wai“ und einzelne mit ein paar Worten auf Englisch oder Thai, zum Teil psychisch gestört. Die Bewohner hier gehören zu den Geringsten der Gesellschaft: Obdachlose, Bettler, körperlich und seelisch Kranke, Demente. Sie alle haben keine Angehörigen mehr, die für sie sorgen könnten. Der stellvertretende Leiter des Armenhauses führte uns auf die eine Seite der Halle, wo grosse Kübel mit Essen bereitstanden. Ich war dann völlig überrascht, dass ich mit Dieter und Narin zusammen den Insassen das von uns gesponserte Festmenü selber servieren sollte: Grünes Curry auf dünnen Reisnudeln, ein gekochtes Ei und eine süsse Suppe als Dessert. Schon hatten wir eine grosse Schöpfkelle in der Hand und los ging‘s. Die Männer bildeten geduldig eine lange Schlange und hielten uns nacheinander je einen grossen Blechteller hin, auf den wir in die dafür vorgesehenen Einbuchtungen das Curry schöpften. Es war gar nicht so einfach, allen etwa gleichviel Chicken, Gemüse und Sauce zu geben und dies möglichst ohne grosse Spritzer. Nach etwa fünfzig Tellern zeigten sich gewisse Ermüdungserscheinungen, sodass wir uns ablösten. Ich konzentrierte mich auf diese Arbeit, versuchte aber auch, in die Gesichter dieser Männer unterschiedlichen Alters zu blicken. Sehr viele liessen sich das Curry geben, mit gesenktem Blick und verschlossener Mine, andere mit verhärmten Gesichtern, einige bedankten sich mit einem thailändischen „Kop khun krap“ oder sogar mit einem Thank you. Ganz allgemein aber waren es freudlose, resignierte, willenlose Gesichter, die in ihrem Leben und auch hier kaum je etwas zu lachen haben. Viele kamen auch gleich mit zwei Blechtellern, für sich und wohl für einen behinderten Kameraden. Die Männer setzten sich mit ihrer Speise dann zu Tische, warteten aber noch stumm mit dem Essen, bis der letzte bei uns seinen Teller gefüllt bekam. Nun gab der Aufseher eine Art von Kommando, alle mussten sich laut dafür bedanken und durften dann endlich essen.
In diesem Armenhaus fehlt jeglicher Komfort, es gibt keine Privatsphäre und keine Freiheit! Die Bewohner schlafen alle in einer einzigen grossen Schlafhalle am Boden, Kranke, Demente oder geistig und körperlich Behinderte inbegriffen. Die allermeisten sind sich gewohnt, mit andern zusammen auf dem blossen Boden zu schlafen. Kameradenhilfe ist hier Pflicht. Konflikte untereinander gibt es sicher auch, doch Disziplin und Ordnung scheint das oberste Prinzip zu sein. Kontakte zwischen Männern und Frauen sind verboten. Die zwei Bereiche sind mit Tor und Wächter gesichert. Für die über 300 Männer und Frauen hat es nur 34 Heimangestellte.
Mit unserem Spendengeld konnte nicht nur dieses „Festmenü“, sondern auch Elementares wie Pampers für alte Kranke oder andere alltägliche Dinge bezahlt werden. Etwas Weniges für die Geringsten der Gesellschaft! Um ehrlich zu sein, erinnert mich dieses Armenhaus eher an ein Gefangenenlager denn an ein Obdachlosenheim. Eine gleiche Anstalt wäre bei uns der politische, soziale Skandal schlechthin! Wir sind in der Schweiz ja so verwöhnt, verglichen mit den Verhältnissen hier. Ich bin sehr dankbar, dass Foon diese Idee von „Tambun“ anstelle von Geburtstagsgeschenken hatte. Auch ich werde in Zukunft daran denken.