Auf Schusters Rappen unterwegs
„Das Wandern ist wie eine Sucht für mich“, sagt Stefan Brauchli. Seit 2011 hat er mehr als 20‘000 km zu Fuss
zurückgelegt und dabei alle Gemeinden der Schweiz kennengelernt. Eine halbe Erdumrundung!
Der 65-jährige Schaffhauser aus Neuhausen beschreibt sich selber als ruhigen, pragmatischen, eher
konservativen Typ. Er sei aktiv und ein Geniesser und könne auch mal über die Stränge hauen, zum Beispiel in
München am Oktoberfest, welches er, der ganz besonderen Atmosphäre wegen, seit Jahren gerne besucht.
Als Programmierer kam Stefan Brauchli 1974 zur Swissair. Besonders die ersten zwanzig Jahre mit der rasanten
Entwicklung der Informatik waren hochspannend. Sehr dynamisch erlebte er die interne Zusammenarbeit ohne
drückende hierarchische Unterschiede. Als Projektleiter und Teamleader schätzte er dann die ausgezeichneten
Kontakte mit externen Kunden. Auch für ihn war das Swissair-Grounding eine Katastrophe. Existenzängste
machten sich breit, es gab keine Sicherheiten mehr. Grausam war, dass er selber Mitarbeiter auswählen musste,
die zu entlassen waren. Nach dem Verkauf der Atraxis ging es unter texanischer „Herrschaft“ doch weiter.
Wandern als wichtiger Lebensinhalt
Mit Marlise, seiner späteren Ehefrau, ist Stefan Brauchli, seit er sie kennengelernt hatte, immer wieder gemeinsam
auf Wanderungen unterwegs, später auch zusammen mit ihren zwei Kindern. Diese intensiven Familienerlebnisse
betrachtet er heute als Höhepunkt seines Lebens. Seit seiner Frühpensionierung 2011 ist das Wandern zu einer
Sucht, eine Art Spitzensport geworden. Er betrachtet seine Wanderungen als Projekte, die er minutiös vorbereitet
und mit GPS entsprechend durchführt und dokumentiert, zudem schildert er die Erlebnisse in seinem Blog.
Einfach so ins Blaue, ohne genaue Ziele los zu laufen, ist seine Sache nicht. So waren Brauchlis kreuz und quer in
der Schweiz zu Fuss unterwegs, wanderten auf dem Jurahöhenweg, auf der Röschtigraben-Route oder entlang
aller grossen Schweizer Flüssen und Seen.
Die Faszination
„Es sind die unglaublich vielen Facetten von Eindrücken, die ich beim Wandern hautnah erfahren kann. Die
Kombination von Natur, Landschaften, Dörfer und Städten, die Eigenheiten der jeweiligen Bevölkerung,
Kulinarisches oder besondere Wetterphänomene faszinieren mich sehr“, meint der Nimmermüde. Unter den für
ihn schönsten Orte, die er besuchte, waren die Walsersiedlung Obermutten in Graubünden, Valagin in Neuenburg
und Rue im Kanton Freiburg mit ihren mittelalterlichen Häusern und Schlössern. Die Agglomerationsgemeinden
von Lausanne oder andere zersiedelte Landschaften möchte er hingegen nicht mehr sehen. „Alles mit allen
Sinnen auf mich einwirken zu lassen gelingt besser, wenn ich allein unterwegs bin, doch können beim Wandern
mit Gleichgesinnten gerade die gemeinsamen Erlebnisse und die Gespräche eine wunderbare Intensität bringen.“
Das Gefühl von voller Zufriedenheit stellt sich beim „Wanderer-Freak“ aber erst ein, wenn er seine
hochgesteckten Ziele auch tatsächlich erreicht hat. Zum Beispiel sein Projekt, alle 2287 Gemeinden der Schweiz
auf jeweils mindestens 10 Kilometer langen Wanderungen besucht zu haben. So hat er innerhalb von acht Jahren
mehr als 20‘000 Kilometer zurückgelegt, eine halbe Erdumrundung! Solche Triumphe machen ihn echt stolz. Er
wird deswegen aber nie auf einem Ehrenpodest stehen und eine Medaille erhalten. Er freut sich aber, wenn
Zeitungen oder das Fernsehen über seine Projekte berichten, denn damit möchte er viele andere zum Wandern
animieren, was Lebenselixier für Körper und Seele sein kann. Ein nächstes Projekt wird der Pilgerweg in Italien
sein: auf der Via Francigena nach Rom.
Immer noch reisefreudig
Seit Stefan Brauchli 1974 zur Swissair kam, liebte er es, in der ganzen Welt umherzufliegen. Auch heute reist er
noch leidenschaftlich gern. Nun hat er vor, alle Staaten in Europa, die er noch nicht besucht hat, bis auf das letzte
Land zu bereisen. Dies wird wohl weniger Energie und Durchhaltewillen kosten als bei seinen Wanderprojekten. (www.projektgemeindewandernschweiz.blogspot.com)