Eine Frau zum Pferde stehlen
Für Bettina Weber ist Langeweile ein Fremdwort. Die aufgestellte 82-Jährige ist immer noch sehr abenteuerlustig, aktiv und an sehr Vielem überaus interessiert.
Seit kurzem erteilt Bettina Weber jeden Samstag in einem Zürcher Kirchgemeindezentrum Asylsuchenden Deutschunterricht. Obwohl Nichtlehrerin, vermittelt sie mit viel Fantasie und praktischen Beispielen Basiswissen der deutschen Sprache an Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan. Höhepunkt des Tages ist dann jeweils das gemeinsame Essen, das von den Asylanten selber gekocht wird. Dieser Freiwilligeneinsatz macht ihr richtig Spass. – Ganz anderer Art, war ihr Einsatz als Statistin im Film: „Die Reisebegleitung für Senioren auf einer Busfahrt nach Bordeaux“, in welchem sie eine Buspassagierin spielte. Die Dreharbeiten verlangten vor allem enorme Geduld. Bettina Weber war fasziniert von den hochmotivierten Studenten der Hochschule der Künste, die als Filmequipe ganz toll funktionierten. – Abenteuerlicher war ihre Teilnahme als Copilotin an einem Citroën Deux Cheveaux-Rallye in Afrika. Die mehr oder weniger rassigen Fahrten bei sengender Hitze durch die ägyptisch-libysche Wüste waren sehr anstrengend, die klaren Nächte unter dem zum Greifen nahen Sternenhimmel absolut unvergesslich. – Noch aufregender findet sie das Fliegen mit einem Deltasegler oder Gleitschirm. „Es ist ein wunderbares Gefühl von Nervenkitzel und Freiheit, wenn sich nach einigem Strampeln und Rennen plötzlich ein Abgrund auftut, und ich mit meinem Instruktor in grosser Höhe über die Landschaft schwebe.“ Auch River Rafting begeistert sie.
Der Swissair für immer dankbar
Bettina Weber ist in Basel aufgewachsen und dann Kindergärtnerin geworden. Eine damalige Mit-Wölfliführerin, die bereits bei der Swissair als Airhostess arbeitete, motivierte sie, sich ebenfalls für diesen Traumberuf zu melden. Sie begann 1958 als reguläre Airhostess zu fliegen, dann als Gruppenchefin und nach ihrer Heirat bis 1991 als Aushilfs-Flight Attendant. Die überaus kontaktfreudige, attraktive Frau erlebte auf ihren Flügen unglaublich viele bereichernde Begegnungen mit Passagieren und Besatzungsmitgliedern. Der Beruf schien genau auf sie zugeschnitten zu sein. – Auch in ihrer vierköpfigen Familie, mit Mann, Sohn und Tochter, erlebte sie sehr glückliche Jahre bis 1991, als plötzlich ihr Mann an einem Herzinfarkt starb. In diesen schlimmsten Momenten ihres Lebens fand sie bei ihren Swissair-Vorgesetzten und bei Kolleginnen und Kollegen sehr viel Hilfe und Beistand. Sie überwand Schmerz und Trauer am besten bei der Arbeit an Bord, wo sie sich voll beherrschen und sich zusammenreissen musste. Altershalber endete dann nach einem halben Jahr ihre fliegerische Karriere mit dem Last Flight, auf welchem sie nochmals die einmalige Solidarität einer Besatzung erleben durfte. – Auch später verdankte sie immer wieder einer Kollegin oder einem Kollegen der Swissair eine Arbeitsstelle, eine Wohnung oder Ideen für etwas Neues. In all den Jahren danach arbeitete sie als Reiseleiterin, als Flight Attendant einer Executiv Airline, in einer Buchhandlung, im Kinderspital als Freiwillige, im Kunsthaus Zürich an der Kasse oder im Hallenstadium als Logenempfangsdame. Sie war überall die ideale Person im Umgang mit Menschen.
Ein Herz für Indios in Ecuador
Bettina Weber war begeistert von den Plänen einer Lehrerin aus Rapperswil, die die notleidende, von der Regierung arg vernachlässigte Bevölkerung im Süden von Ecuador mit Hilfsprojekten unterstützen wollte. Während 14 Jahren begleitete sie als Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins www.ecuasur.ch die verschiedenen Hilfsprojekte vor Ort, zahlte, wie alle andern, die Flugtickets dorthin und die Aufenthalte immer selbst. Sie ist stolz, was mit den verschiedenen Projekten erreicht werden konnte. Im letzten Jahr übergab sie dieses Amt einem Piloten.
Nun hat sie wieder mehr Zeit für ihre vier Enkel, aber auch, um die Senioren-Uni, Museen, Oper und Theater zu besuchen, an Veranstaltungen des PVSR, an Leserreisen und Expeditions-Kreuzfahrten in die Arktis oder Antarktis teilzunehmen. Letzteres spricht sie ganz besonders an: die End- und Zeitlosigkeit zu erleben und mit sich und der Umwelt zufrieden zu sein.