Die Flughafen-Seelsorge ist für alle da
Die katholische Seelsorgerin Andrea Thali liebt ihre Arbeit in einem Umfeld voller Lebendigkeit und Angelpunkt verschiedener Berufe und Kulturen am Flughafen Zürich.
Gleich nach Abschluss ihres Theologie-Studiums erhielt Andrea Thali 1999 die Möglichkeit für ein Praktikum und folgend einer Teilzeitstelle in der Flughafen-Seelsorge. Damit ergänzte sie das Team von Walter Meier und Claudio Cimaschi, dessen Nachfolgerin sie 2014 wurde. Auch nach zwanzig Jahren ist sie begeistert und hochmotiviert für ihre Arbeit. Im gut funktionierenden und sich ergänzenden Seelsorger-Team mit dem reformierten Pfarrer Stephan Pfenninger und der Sozial-Diakonin Jacqueline Lory fühlt sie sich sehr wohl. Alle drei sind am Flughafen für jene Menschen zuständig, die in persönlichen Krisensituationen stecken, die Schwierigkeiten am Arbeitsplatz haben oder alleine nicht mehr klarkommen und jemanden zum Reden brauchen. In der Flughafenkappelle, die seit 1998 existiert, gibt es ökumenische Gottesdienste oder Mittagsgebete. Auf Wunsch werden auch Rituale verschiedener Weltreligionen gestaltet. 50 Prozent aller Besucher und Besucherinnen sind Berufstätige mit Arbeitsplatz am Flughafen. Zu den anderen 50 Prozent gehören u.a. Passagiere, auch gestrandete, Interessierte und Neugierige aus der Flughafenumgebung oder abgewiesene Asylsuchende. Stephan Pfenninger arbeitet nicht wie sein Vorgänger als Betriebsseelsorger mit einem Teilzeitvertrag als Flight Attendant bei SWISS, doch hin und wieder kann er als «Observer» auf einer Flugrotation mit der Cabin Crew zusammenarbeiten.
Mit der Coronakrise ist alles etwas anders
Andrea Thali hatte in all den Jahren am Flughafen die dramatischen und verstörenden Stunden und Wochen wie zum Beispiel nach dem Flugzeugunfall vor Halifax, von 9/11, dem Swissair-Grounding sowie dem Crossair-Absturz bei Bassersdorf erlebt und war als Seelsorgerin jedes Mal sehr gefordert. In diesem ersten Halbjahr war mit der Corona-Krise jedoch alles ganz anders. Im gespensterhaft leeren Flughafen bewegten sich nur noch sehr wenige Berufstätige. Die Hallen waren wie ausgestorben, es herrschte eine unheimliche Ruhe, da nur noch vereinzelte Flugzeuge im Einsatz waren. Die Gottesdienste wurden abgesagt und als online Beitrag in «Mittagsfluug» umbenannt. Das Schöne war, dass die Wenigen, die noch am Flughafen arbeiteten, einander näher kamen und auch Zeit für persönliche Gespräche fanden. Zukunfts- und Existenz-Ängste belasteten mehr, als die Furcht vor einer Covid-19-Ansteckung. Für die meisten waren und sind Ungewissheit und Unsicherheit über die Zukunft am schwierigsten zu ertragen: sie müssen sich irgendwie hervortasten. In solchen Zeiten ist die Seelsorge gefragt. In Gesprächen wird vor allem neuer Lebensmut geschöpft und nicht eigentlich vertieft über Religionen oder Dogmen der Kirchen gesprochen. Kontakte und Gespräche mit Mitarbeitenden, die regelmässig in den interreligiösen Räumen zum Gebet kommen, sind ebenso gegeben wie solche für Angehörige aller Weltreligionen oder bei Todesfällen und Katastrophen. Erfreulich ist, dass mit Angestellten der Zollabteilung regelmässig eine 20minütige Meditation durchgeführt werden kann, die zu guten Gesprächen führen. Immer gibt es auch Leute, die eher einen Bogen um die Seelsorgerin machen, als dass sie ein Gespräch suchen. Auch das darf sein.
Mit den Lockerungen der einschränkenden Covid-19-Massnahmen wird sich der Flughafen und die Flughafenkappelle hoffentlich wieder beleben und normalisieren. Dazu kann man nur Amen sagen!
(Interview vom 23. Juni 2020)