Eine Japanerin, die auch Schweizerin ist
Yuko Pfändler hat als zivile Botschafterin japanische Kultur, Kochkunst und Tradition Schweizern nähergebracht und ist dabei selber Schweizerin geworden.
Wie kam es, dass eine junge Frau, die in Tokyo wohlbehütet aufgewachsen ist und eine traditionelle Erziehung genossen, japanische Werte und Traditionen voll verinnerlicht hatte, plötzlich Airhostess für eine europäische Airline werden wollte? Es war Yukos Grossvater, ein Geographie-Lehrer, der mit seinen Büchern und Geschichten ihr Interesse für Europa weckte. Als Airhostess könnte sie Holland mit KLM, die Schweiz mit Swissair oder England mit British Airlines kennenlernen. Mister Hashimoto machte dies mit seiner Vorbereitungsschule für Kabinenpersonal möglich. Ein ganzes Jahr dauerte die selbst zu bezahlende theoretische und praktische Ausbildung, bis sie dann dort von Swissair rekrutiert wurde.
Alles war total neu und sehr spannend
Nach dem 26stündigen Flug von Tokyo nach Zürich begann für Yuko ein neues Leben, denn sie war noch nie im Ausland, nie unter Europäern, nie in einem Beruf für eine Firma tätig. Es war ein sehr kalter Wintertag, als sie am 3. Januar 1978 den 3monatigen Swissair-Grundkurs für Japaner Airhostessen begann. Der Wechsel in die Schweiz war kein Kulturschock für sie, im Gegenteil, sie war neugierig, sehr lernwillig und hochmotiviert, sich der neuen Situation anzupassen; auch die praktische Arbeit gefiel ihr. Auf ihrem ersten Flug als selbständige Hostess lernte sie den Arbeitskollegen Beat Pfändler kennen, ihren späteren Ehemann. Tatkräftig unterstützte er sie und half ihr, in der allgemeinen Hektik des kurzen Fluges von Tokyo nach Hongkong alle Arbeiten an Bord zeitgerecht zu erledigen. Sie musste noch lernen, Nein zu sagen und Prioritäten zu setzen, wenn die Zeit drängte. Die Zusammenarbeit mit ihren Schweizer Kolleginnen und Kollegen war sehr kollegial, doch sprachlich immer wieder eine Herausforderung. Wenn es ein Problem mit einem Passagier gab, sprachen alle recht aufgeregt Schweizerdeutsch, was sich für Yuko wie Streit anhörte. Crew Members sind in der Regel sehr höflich und wechseln gleich auf Englisch, wenn jemand nicht Deutsch versteht. Dauert eine Unterhaltung jedoch etwas länger, wird meist bei einem Stichwort schnell auf Schweizerdeutsch gewechselt. Mit der Routine stellte sich dann eine gewisse Gelassenheit ein, sodass Yuko die Fliegerei mit den Aufenthalten in Hongkong, Bangkok, Karachi, Bombay, Athen und Zürich voll geniessen konnte. Sie war überzeugt, dass sie mit ihrer Berufswahl sich richtig entschieden hatte.
Japan oder Schweiz?
Nach anderthalb Jahren heirateten Yuko und Beat, zuerst kirchlich in der Schweiz und dann auch in Japan in einem Shinto Shrine. Das frisch verheiratete Paar unterbrach darauf ihre fliegerische Karriere, um zwei Jahre lang in Japan zu leben. Beat Pfändler wollte richtig Japanisch lernen und sich intensiv mit der japanischen Kultur vertraut machen. Sie beide suchten herauszufinden, ob sie lieber in Japan oder in der Schweiz leben wollten. Da sie auch an eine Familie mit Kindern dachten, entschieden sie sich für die Schweiz, da hätten Kinder weniger Druck. Yuko flog dann noch weitere zwei Jahre als Japaner Flight Attendant bis zum Zeitpunkt, wo sie schwanger wurde. Es folgte eine zehnjährige Baby-Pause, eine Tochter und ein Sohn gehörten nun zur Familie.
Vielseitiges Wirken
Yuko musste nun schnell Deutsch lernen und sich schweizerische Gewohnheiten zu eigen machen. Natürlich hatte in der Erziehung der Kinder auch die japanische Sprache und Traditionen einen hohen Stellenwert. Weiterhin liebte sie es, Blumengestecke (Ikebanas) zu fertigen und Keramik zu kreieren, wofür sie Kurse an der Kunstgewerbeschule besuchte. Sie gab Kochkurse für Illustrierten wie Annabelle oder Betty Bossi; speziell Sushi-Kurse waren in den 70gern Jahren sehr gefragt. Für die Japan-Flüge der Edelweiss Airline war sie als Japan-Beraterin für Crew Briefings, Catering, Ansagen und Produktepalette tätig. Für Hausfrauen führte sie Konversationskurse in Japanisch durch. Beat Pfändler, ihr Ehemann, war nicht nur Maître de Cabine, sondern auch ein anerkannter Profi-Fotograf. Da war sie nicht nur kritische Begutachterin, sondern immer auch mal Fotomodel.
Wiedereinstieg ins Berufsleben
Yuko wollte wieder für die Swissair arbeiten, bewarb sich diesmal als Schweizerin für eine Stelle beim Bodenpersonal. In den folgenden 29 Jahren war sie in allen möglichen Funktionen tätig, Check-in, First Class Schalter, Concierge, First Class Lounge und auch am Gate. Mit Kolleginnen und Passagieren legte sie auch ihre ursprüngliche japanische Zurückhaltung ab, gab sich spontan, offen und humorvoll. Nach den vielen Dienstjahren kannte und schätzte man sie am Flughafen sehr, hier hatte sie sich als Schweizerin durchgesetzt und war voll akzeptiert. Sie hatte viel gelernt und war von der Arbeit sehr befriedigt. Das herrliche Gefühl, wenn alle Probleme am Gate gelöst waren und ein Flugzeug abgedockt wurde, wird Yuko wohl nie vergessen. Noch während den Corona-Einschränkungen wurde sie mit 64 Jahren regulär pensioniert.
Das Ehepaar Pfändler weiss nun, dass es hier in der Schweiz stärker verwurzelt ist als in Japan. Denn die erwachsenen Kinder leben hier, und die Enkelkinder sorgen für Freude im Alltag.