Medizinisch für Unerwartetes vorbereitet sein
Gibt es Sinnvolleres, als Menschen in mehr oder weniger lebensbedrohlichen Situationen beizustehen oder Leben zu retten? Patricia Klaus setzt sich beruflich dafür ein.
Die spontane und herzliche Baslerin wurde Pflegefachfrau, weil bereits ihre Eltern und ihre ältere Schwester diesen Beruf ausübten. Was Patricia täglich vom Spitalalltag zu hören bekam, tönte sehr positiv. Bevor sie jedoch die Höhere Pflege-Fachschule absolvierte und dann als Pflegefachfrau in einem Spital arbeitete, lernte sie am Genfersee vertieft Französisch und in Cambridge Englisch. Im Spital konnte sie mit ihren Patienten aber nur sehr selten ihre Sprachkenntnisse anwenden. Deshalb bewarb sie sich dann für den Flight Attendant-Beruf, ohne fest daran zu glauben, dass sie genommen würde. Doch Swissair wollte sie. Vier Jahre flog sie voll als Flight Attendant in der Welt umher. Dann bewarb sie sich als Instruktorin für die Medical Ausbildung. Auch das klappte. Ideal war nun der abwechselnde Arbeitseinsatz: Jeweils drei Monate Fliegen und dann drei Monate Medical-Unterricht. Mit Weiterbildung erwarb sie sich den eidgenössischen Fachausweis für Ausbilder.
Nach ihrer Hochzeit wurde sie Mutter zweier Kinder, da war sie nur noch als Aushilfe und später teilzeitig im Flugdienst aktiv. Der MD11-Flugzeugabsturz vor Halifax berührte sie sehr, denn es hätte ja auch sie treffen können. Das Swissair-Grounding führte dazu, dass sie ihre fliegerische Karriere komplett beendete, jedoch weiterhin als Medical Instruktorin tätig blieb.
Das Medical Training heute
Patricia Klaus, Head of Medical Training im Lufthansa Aviation Training Schweiz, ist verantwortlich für die medizinische Ausbildung der Flight Attendants (heute «CCM» - Cabin Crew Members - genannt) und teilweise für Piloten. Im neuen, riesigen Lufthansa Aviation Training Center in Opfikon stehen sehr grosszügige, moderne Schulungsräume, Flugzeug-Attrappen und Büros zur Verfügung. Dumm nur, dass mit dem Corona-Lockdown der Schulbetrieb ganz eingestellt wurde und die Instruktorinnen und Instruktoren im Homeoffice arbeiten mussten. Später konnte der Schulbetrieb unter extrem strengen Schutzmassnahmen teilweise wieder aufgenommen werden. Da Swiss Corona-bedingt Personal entlassen musste, gibt es vorläufig keine neuen Grundkurse mehr, nur noch die dreitägigen, recht anspruchsvollen CRM-, Medical- und Emergency-Refresher (CRM heisst Crew Resource Management, bzw. Kommunikation). Am ersten Kurstag ist E-Learning zuhause am Computer angesagt und an den folgenden zwei Tagen Instruktion und Repetition im Schulhaus. Für Medical stehen 4 Stunden zur Verfügung: Herzmassage üben, Defibrillator, Blutdruckmesser und Pulsoxymeter richtig handhaben und neues Equipment und Medikamente kennenlernen. In der Flugzeugkabine des Mock ups wird die Theorie ins Praktische umgesetzt. Die Cabin Crew Member haben sehr viel mehr als nur Erste Hilfe zu lernen, denn sie müssen Symptome von Herzinfarkt, Schlaganfall, Epilepsie, Hyperventilation, Diabetes etc. erkennen und entsprechend agieren können. Die spannendste Übung im Grundkurs ist der «Dry flight», wo ein Flug vom Start bis zur Landung simuliert wird, auf welchem verschiedene Emergency- Medical und CRM-Probleme auftauchen, auf die entsprechend rasch und richtig reagiert werden muss. Patricia Klaus findet es grossartig, was Cabin Crew Members wissen und an Bord leisten müssen. Auch die Piloten haben in ihrer Grundausbildung Medical-Unterricht. «Die meisten Pilotinnen, Piloten und die «CCM» sind persönlich an den Themen interessiert und hoch motiviert. Also eine sehr dankbare und befriedigende Arbeit! Es wäre nur schön, wenn etwas mehr Zeit für Fragen und weiterführende Gespräche zur Verfügung stünde», meint die Chefin.
Patricia Klaus ist sehr stolz auf ihr engagiertes Team, das aus 8 Festangestellten und 16 Freelancern besteht, darunter drei Ärzte. Alle von ihnen haben eine medizinische Ausbildung. «Es ist wunderbar, was mit diesem Team alles möglich ist», meint Klaus anerkennend. «Die Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Dienst von Swiss, mit dem für die Schulung verantwortlichen Dr. Christian Kolb, findet sie ausgezeichnet, trotz der trennenden Distanz zum Swiss Hauptsitz in Kloten. Neu gibt es ja die Video-Konferenzen, den digitalen Austausch. Monatlich findet nun ein virtuelles Meeting statt, das sehr konstruktiv und effizient ist.
Ausgleich zum Beruf
Patricia spielt begeistert in einem Laientheater mit und besucht auch Theaterkurse. Sie verbringt ihre Ferien gerne im bündnerischen Truns, denn sie ist zweisprachig mit Deutsch und Romanisch aufgewachsen. Auch das Reisen in der Schweiz und ins Ausland liebt sie sehr. Für die Zukunft hofft und wünscht sie sich, dass sich die Airline-Branche bald wieder erholen wird und Normalität sich einstellt.
News 2021-1