Paris, die Lieblingsstation
In Jean-Pierre Landolts langer und abwechslungsreicher Karriere war die Zeit als Frachtchef in Paris die beste und angenehmste.
Den jungen Genfer zog es bereits sehr früh immer wieder zum Flughafen GVA. Für die Zeit der Schulferien – er war Schüler im Collège St. Maurice und Collège de Genève – suchte er bei der Swissair einen Ferienjob. Er wurde als Aushilfe für das Laden und Entladen des Gepäcks und der Fracht angestellt. 1959 waren es DC-3, CV-440, DC-6, Comets oder Viscounts, welche den Flughafen Genf anflogen.
1964 kam er definitiv zur Swissair ins Trafic und konnte zwei Jahre später auch ein halbes Jahr am Flughafen in London arbeiten. Nach erfolgreichem Examen absolvierte er die Ausbildung zum Dispatcher in Zürich und verdiente sich dort die Sporen im Dispatch neben der ELS ab. Dann nahm seine internationale Karriere als Dispatcher, Station Manager und Frachtchef ihren Lauf, er kam nach Athen, Zürich, Kairo, Lissabon, Lagos, Dakar, Zürich, Paris, Rom, Casablanca, Dubai, Djakarta, Beijing, Abu Dhabi und Abidjan. Überall hatte er mehr Positives als Negatives erlebt, viele wertvolle Kontakte geknüpft.
Was Jean-Pierre Landolt nie vergessen wird, ist der dramatische Notfall in Dakar. Beim Start einer DC-10 hatten Eisenstangen, die auf der Piste lagen, drei der vier Pneus vom rechten Fahrwerk zerschnitten und den rechten Flügel beschädigt. Die Maschine musste umdrehen und nur gerade mit den noch intakten Bugrädern notlanden. Die Piloten vollbrachten in dieser prekären Situation eine grossartige Leistung: Die Landung gelang, die Passagiere konnten über Treppen das Flugzeug verlassen. Die Dramatik, der Stress und die Angst vor totaler Katastrophe, möchte der ehemalige Station Manager nie wieder erleben.
Seine Frau war überall mit dabei
Jean-Pierre Landolt lernte die Airhostess Michèle Grand aus dem Wallis kennen und lieben, was 1968 zur Hochzeit führte. Damit ging deren Karriere als Airhostess zu Ende. Ein Jahr später zog sie mit ihrem Mann nach Athen und dann von Station zu Station. Sehr wichtig war, sich immer wieder rasch auf die wechselnden Länder, Kulturen, Menschen und Mentalitäten einzustellen und anzupassen. Sie hatten keine Kinder, waren beide kontaktfreudig und offen für Neues, konnten leicht neue Bekanntschaften machen und Freunde finden. In Europa mussten sie selber eine Wohnung für ihren Aufenthalt suchen, in Übersee sorgte Swissair für ein Haus oder eine Wohnungen. Es galt dann, immer eine etwas persönliche Note da reinzubringen, um sich zuhause zu fühlen. Sie beide lernten sehr viel im Umgang mit hochgestellten Persönlichkeiten, mit neuen Bekannten und mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in all diesen Ländern. Das Schwierigste war, jeweils nach etwa vier oder fünf Jahren wieder wegzuziehen und die Freunde zurückzulassen.
Paris war seine Lieblings-Station
Für Jean-Pierre Landolt, der eine französische Mutter hatte, war Paris natürlich eine Wunschdestination. Er war als neuer Frachtchef dorthin berufen worden und hatte 35 Mitarbeiter zu führen. Die meisten kannten sich bei seinem Antritt im Fracht-Business wohl besser aus als er, aber mit seiner Erfahrung und seiner Anpassungsfähigkeit war eine produktive Zusammenarbeit sehr gut möglich. Tagtäglich begrüsste Landolt seine Leute mit Handschlag, nahm sich Zeit und wollte wissen, wie es den einzelnen geht. Dieses Reden miteinander führte zu gegenseitigem Respekt und guter Arbeitsleistung. – Manchmal haben Ausländer ein negatives Bild von Franzosen, meinen, dass diese wenig fleissig seien und schludrig arbeiten. Er machte in Paris aber ganz andere Erfahrungen, er fand seine Mitarbeitenden sehr professionell und seriös, auch sehr loyal und verbunden mit Swissair. Ehrenvoll war für ihn die Wahl zum AOCfret-Präsidenten, der Vereinigung des Frachtpersonals aller Airlines am Flughafen CDG.
Das Leben als Pensionierter
Mit 58 Jahren wurde Jean-Pierre Landolt pensioniert, konnte aber nur noch acht Jahre das neue Leben zusammen mit seiner Frau geniessen. Sie lebten in Nax, in der Nähe von Sion und unternahmen viele Reisen in alle Welt. 2010 starb sie. Er pflegt weiterhin die Kontakte zu ehemaligen Swissair-Kollegen, ist Mitglied des Veteran Wings Club der ex-Station Manager und der Association des anciens Swissair France. Mit seiner heutigen Lebenspartnerin lebt er nun seit 2013 in Pully am Ufer des Genfersees und reist immer noch gerne. Mit ihr besuchte er bereits zehnmal deren zwei Töchter und Familien in Sydney. Was bei ihm immer noch spürbar ist, c’est la joie de vivre, die er aus Paris mitgenommen hat.
2024.2