Rund um die Welt - Segeln statt Fliegen

Manch Pensionierter hat bereits die Welt umsegelt. Beat und Edith Küng schafften es in sieben Jahren. Die ideale Segelcrew kann durchaus ein Ehepaar sein.

 

 

Beide waren bei der Swissair im Flugdienst, er als Pilot und sie als Flight Attendendant. Sie lernten sich auf einem Flug kennen und heirateten vor 35 Jahren. Ohne Swissair hätten sich die beiden wohl nie getroffen. Vielleicht hätte Beat Küng  als Ingenieur gearbeitet und Edith weitere Erfolge als Balletttänzerin am Stadttheater Bern oder  anderswo gefeiert.

 

Viele zweifelten, ob Beat Küng nach der Pensionierung die Welt mit einer Segelyacht wirklich umsegeln würde, und das während mehrerer Jahre und gemeinsam mit seiner Frau. Edith wusste, dass ihr Mann Ideen und Ziele hartnäckig verfolgen kann und sich gerne auf Neues vorbereitet. Die Idee entstand, als sie mit Freunden das Chartersegeln auf dem Mittelmeer und in der Karibik zu betreiben begannen. Später segelten sie viel auch mit der ganzen Familie oder mit Kollegen. Die Suche nach einem geeigneten Schiff war das eine, die persönliche Qualifikation mit den nötigen Lizenzen, Zeugnissen und Ausweisen das andere. Spezielle Kenntnisse über Motorentechnik und sogar über Medizin mussten sie erst erwerben und viele Bücher und Reiseberichte von Seglern studieren.

 

Südseetraum und Orang Utans

 

„Die ganze Seereise verlief natürlich nicht auf Wolke 7, war aber mehrheitlich wahnsinnig schön, interessant und vielseitig“, fassen die Hochsee-Segler kurz zusammen. Als absolute Highlights nennen sie die fast unberührten Inseln und Atolle in Französisch Polynesien und die paradiesischen Ankerplätze in der Karibik und im Pazifik, wo sie oft ganz allein waren, ohne  andere Schiffe oder Einwohner. Unvergesslich bleibt ihnen eine Begegnung mit Orang Utans auf Borneo und die drei Wochen und fünf Tage, die sie allein auf dem Pazifik verbrachten, ohne je Land oder andere Schiffe zu sehen. Wirklich gefährlich war es nie, aber es gab Situationen, in denen der Adrenalinspiegel anstieg, etwa als bei hohem Wellengang und starken Winden der Autopilot ausstieg und sie während dreier Tage und Nächte von Hand steuern mussten. Auf solch langen Strecken ist ein gut eingespieltes Team das alles Entscheidende. Edith und Beat Küng ergänzten sich sehr gut: er als umsichtiger und entschlossener Captain, wie früher auf den MD-11, und sie mit ihrer umgänglichen, zupackenden Art. Immer wieder erfuhren sie unterwegs, dass ein gut harmonierendes Ehepaar die ideale Schiffsbesatzung ist.

 

Etwas unheimlich war die Passage vor Somalia, zum Glück wurden sie aber nicht von Piraten angegriffen. Es war gut, sich für die kritische Route mit andern Yachties zusammenzutun, um sich gegenseitig unterstützen zu können. Abwechslungsreich und belebend waren die vielen Begegnungen mit andern Weltenseglern. Diese schützten sie auch vor der Vereinsamung. Sie lernten zum Teil illustre  Leute kennen, etwa einen ehemaligen Chirurgen mit zwei Hunden, einen Lufthansakapitän, einen begnadeter Geiger der Wiener Symphoniker, der seine Violine mit 50 an den berühmten Nagel gehängt hatte, oder einen Franzosen, der in Lagos zwei Brauereien geleitet hatte.

 

Nach einer Katastrophe der Triumph

 

Sie weilten im Jahr 2004 gerade in der Schweiz, als der in der Karibik heftig wütende Hurrican „Ivan“ ihr Schiff in der Marina von Grenada total zerstörte. Glücklicherweise konnten sie dort von einem Schweizer einen gleichen, vierzehn Meter langen Zweimaster  übernehmen und so mit leichter Verzögerung ihre Reise fortsetzen. Die Weltumsegelung aufzugeben, kam nicht in Frage. Erst nach vier Jahren machten sich erste Abnützungserscheinungen bemerkbar. Immer wieder mussten sie gegen schlechtes Wetter und Stürme ankämpfen, denn die Bedingungen waren meist anders, als es die Einheimischen voraussagten. Vor allem im Westpazifik setzten ihnen die Witterung und X technische Probleme mehr zu, als sie es wahr haben wollten. 2009 kehrte das erfolgreiche Zweierteam an seinen Ausgangspunkt San Rocco bei Triest zurück und feierte seine geglückte Weltumrundung. Von einigen Heimataufenthalten abgesehen, hatte es sechs Jahre auf See verbracht und total 35'000 nautische Meilen zurückgelegt. Damit ging ein bewegtes Lebenskapitel zu Ende, das den beiden Abenteurern so einzigartige wie unbeschreibbare Erfahrungen ermöglichte.

 

 

Nun haben sie in Neerach wieder Zeit für Familie und Bekannte, für Sport und Kultur. Beat, früher ein aktiver Amateurgeiger, begann wieder Klavier zu spielen. Zusammen mit  Edith engagiert er sich auch in der Freiwilligenarbeit. Von den vielen Seglercrews, die sie getroffen haben, sind nur noch wenige vier geblieben, mit denen sie freundschaftlichen Kontakt pflegen. Ihr Leben ist ruhiger geworden, dramatische Augenblicke brauchen sie nicht mehr.

 

Swissair News 1 / 2012