Wenn das Schicksal zuschlägt
Alles war für die Party von Urs Zimmermanns 50. Geburtstag vorbereitet, doch am Tag zuvor stürzte er, Kapitän von SR111, zusammen mit 228 Menschen in den Tod. Seine Frau Prisca erinnert sich heute, 20 Jahre darnach, noch sehr genau an diese Tage des Schreckens.
Wo warst du, Prisca Zimmermann, als dich diese Schreckensmeldung erreichte?
Ich lag noch im Bett, als mich meine Tochter um 6 Uhr weckte und ganz verstört rief, Papi sei abgestürzt. Sie hatte von diesem Flugzeugabsturz am Radio gehört.
Wie hast du auf diese Nachricht reagiert?
„Das ist doch nicht möglich, das glaube ich nicht“, war meine Antwort, doch die Tochter behauptete, dass vom Swissair-Flug SR111 geredet würde. Ungläubig und wie gelähmt schaute ich dann im Fernsehen auf CNN die endlosen Wiederholungen der Absturzmeldungen. Als Flight Attendant hatte ich oft mit Urs über Notfälle gesprochen, und ich hatte noch in den Ohren wie er sagte: „Bei einer Notlandung auf dem Wasser, da hat man keine Chance, denn das Wasser ist hart wie Beton!“ Trotzdem konnte ich nicht glauben, dass mein Mann tot war, auch nicht, als der MD11-Flottenchef Christian Stüssi mir die Todesnachricht persönlich, sechs Stunden später, überbrachte.
Was oder wer hat dir damals am meisten geholfen?
Die Familie, meine Mutter, Geschwister und Freunde. Sie halfen, wo sie konnten, brachten Essen und Trinken, sie waren einfach für mich und meine drei Kinder da. Sie unterstützten und entlasteten mich in allem, auch bei den Formalitäten in diesem sehr speziellen Todesfall. Ich konnte mit ihnen darüber reden, wie es mit mir und den Kindern weitergehen könnte. Tagsüber rotierte ich auf 190 und abends sank ich todmüde ins Bett.
Wie erlebtest du den ganzen Presserummel?
Die Presseleute setzten mich unter massiven Druck. Es kamen ständig Anrufe und aufdringliche Reporter läuteten an der Haustür und bedrängten mich mit Kameras und Mikrofonen. Sie fingen sogar meine Kinder auf der Strasse ab. Ich konnte und wollte keine Interviews geben. Einzig einem einfühlsamen Journalisten der „Schweizer Illustrierte“ beantwortete ich Fragen.
Was war in dieser Extremsituation hilfreich für dich?
Ich war sehr dankbar, dass Peter Fässler vom Swissair Care Team mein persönlicher Ansprechpartner war. Er begleitete mich und half mir in dieser schwierigen Situation, bei Fragen vom Safety Board Canada oder bei der Identifizierung von Leichenteilen und Effekten der Abgestürzten. Er war auch dabei, als ich mit einer kleinen Gruppe nach Halifax reiste. – Als dann einmal eines meiner Kinder sagte: „Gell, Mami, du lachst auch wieder einmal?“, da wusste ich, dass ich mir selber helfen musste. Als Mutter dreier Kinder war ich verpflichtet das Ruder wieder zu ergreifen und voll zu meiner Verantwortung zu stehen. Es dauerte allerdings noch Monate, bis die Gefühle von Angst und Ohnmacht sich legten.
Kam es dann wieder zu einer Art Normalität?
Meine drei Kinder waren mit der Fliegerei, mit Swissair aufgewachsen, deshalb fanden sie, dass ich doch wieder als Flight Attendant fliegen sollte. Dank Christian Stüssi, der sich sehr dafür einsetzte, wurde dies dann auch möglich. Zu Beginn dieser Flugeinsätze hatte ich noch sehr gemischte Gefühle, speziell auf Nordatlantik-Nachtflügen, doch auch diese verschwanden wieder und die Arbeit innerhalb einer Crew tat mir gut.
Wie hat dich diese tragische Erfahrung geprägt?
Sie machte mir bewusst, wie wichtig der Familienzusammenhang ist. Mit Urs verbrachte ich zwanzig glückliche Jahre, zur Familie gehörten vier Kinder. Ich musste lernen, mich mit dem Tod auseinanderzusetzen, denn nicht nur Urs, sondern auch zwei meiner vier Kinder kamen bei Unfällen ums Leben. Heute bin ich toleranter gegenüber allem, doch für Oberflächliches habe ich nichts übrig.
Wie sieht dein Leben heute aus?
Seit meinem Last Flight als Swiss Cabin Crew Member im Jahr 2016 habe ich mehr Zeit, meine Enkelkinder und meine zwei Töchter zu besuchen. Die eine wohnt in Zürich und die andere auf Bali. Ich liebe das Reisen, spiele Golf und nehme auch gerne an Anlässen des Pensioniertenvereins und der Swissair Oldies teil. Ich fühle mich heute glücklich und zufrieden und bin froh, die Herausforderungen des täglichen Lebens sehr gut meistern zu können.