Wild, voller Ideen und kein bisschen müde
Mit „kiki“, ihrem ersten selbstkreierten Parfum, erreichte Vero Kern internationale Anerkennung. Dazu brauchte sie eine solide Ausbildung, Talent, Kreativität, Leidenschaft und Neugierde. Die faszinierende Welt der Düfte entdeckte sie, als sie mit 54, nach langer Swissair-Karriere, etwas Neues suchte.
Mit freundlich lächelndem Gesicht begrüsst mich Vero Kern zum Interview und führt mich in ihr einfaches Keller-Labor, wo sie all ihre bisherigen Parfums kreiert hat und diese da auch stolz präsentiert. Destillationsapparate, Brenner und Reagenzgläser sucht man vergebens, denn die benötigten natürlichen und synthetischen Rohstoffe kauft sie bei spezialisierten Duftherstellern ein. Die Frau mit der sensiblen Nase kann etwa 350 unterschiedliche Duftstoffe im Gedächtnis behalten und weiss, wie und nach was sie riechen, wie intensiv und wie haftend. Sie kreiert ihre Parfums vorerst im Kopf und experimentiert dann endlos weiter, bis sie mit dem Resultat voll zufrieden ist. Die Perfektionistin strebt höchste Raffinesse und Ästhetik an, ihre Düfte sollen verführerisch sein, Leidenschaften wecken oder Persönlichkeiten mit geheimnisvoller Aura umgeben. Ihre Parfums „kiki“, „onda“, „rubj“, „mito“ und „rozy“ sind Nischenprodukte, anders als die industriell hergestellten globalen Parfums grosser Firmen. Dank ihrer Webpage wurde sie rasch weltweit bekannt. Anfangs machte sie alles von A bis Z selbst: Kreation und Produktion der Parfums, Internet-Auftritt, Marketing und Distribution. Heute kreiert sie nur noch die Prototypen; das Konzentrat stellt die Essencia in Winterthur her, das anschliessend nach Italien zur Endverarbeitung geht. Auf www.veroprofumo.com steht alles über die Parfums und wo diese überall erhältlich sind.
Lust auf immer Neues
An Kunst und Gestaltung interessiert, wollte Verena nach ihrer Schulzeit die Kunstgewerbeschule besuchen, doch ihre Eltern bestanden darauf, dass sie eine Lehre als Pharma-Assistentin absolvierte. Hier lernte sie auch das Mischen und Herstellen von Salben und Pülverchen. Mit 22 Jahren heiratete sie, doch liess sie sich zwei Jahre später wieder scheiden, weil die Ehe nicht stimmig war. Es folgte eine aufregende Zeit in London und Zermatt, wo sie das Leben so richtig zu entdecken suchte!
Und dann kam sie zur Swissair
Vero Kern denkt gerne an die vielen Swissair-Jahre zurück. Höhepunkt ihrer Karriere war die Beförderung zur Lead Agent beim Baggage Tracing im Terminal B. Dort war sie mit ihrem Team verantwortlich für das Auffinden weltweit fehlgeleiteter oder verlorener Gepäckstücke, eine oft spannende Detektivarbeit, die nur mit Computern zu bewältigen war. Reisen war ihre Leidenschaft, die Freiflüge ein Schlüssel dazu. Nach einem Intermezzo in der Modebranche kehrte sie wieder zur Swissair zurück, zwar nicht an ihren alten Arbeitsplatz, sondern ins Catering. Nebst ihrer Arbeit an der Basis konnte sie in Frauenförderungs-Projekten mitarbeiten. Mit grosser Freude und Elan setzte sie sich damals für die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz ein. Als die Swissair dann SAirGroup und das Catering Gate Gourmet hiess, kündigte sie 1994, weil sie dort für sich keine Zukunftsperspektiven mehr sah. Was aber sollte sie jetzt mit 54 tun?
Keine Angst vor der Zukunft
Mutig und mit viel Selbstvertrauen liess sich Vero Kern ihr gesamtes Pensionskassengeld auszahlen und machte sich selbständig! Nach einer Aromatherapie-Ausbildung eröffnete sie ihre eigene „Massage-Oase“. Hier entdeckte sie ihre besondere Gabe, Düfte differenziert wahrzunehmen. Sie entschloss sich daher, Parfumeurin zu werden und absolvierte eine zweijährige Schulung in Paris. Im Jahr 2007 präsentierte sie „kiki“, ihr erstes Parfum, an welchem sie fünf Jahre lang gearbeitet hatte. Seither hat sie unter dem Label Vero Profumo 18 Düfte kreiert mit stetig wachsendem Erfolg. „Diese Düfte sind wirklich gut!“ meint die 77-Jährige recht selbstbewusst. Sie hält auch Vorträge und führt Workshops und Performances durch zum Thema Düfte und Wahrnehmung. Heute fühlt sie sich sehr gut, ist voller Energie und Lebenslust. „Ich habe noch viel zu tun, was für mich und die Welt wichtig ist“, erklärt die Nimmermüde. Im nächsten Jahr will sie wieder etwas ganz Neues anfangen.